Emotionen in der EFT‑Paarberatung: Die Musik im Tanz der Liebe

Dieser Text ist im 2022 erschienen im Andreas Knuffs Buch „Nix wie fühlen!: Achtsamer Umgang mit Gefühlen in Beratung, Therapie und Coaching – Ein Erfahrungs- und Arbeitsbuch mit vielen Praxistipps

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In Paarbeziehungen erleben wir das ganze Spektrum von Emotionen im Positiven wie im Negativen – und das macht Sinn. Die intensivsten Gefühle werden im Zusammenhang mit unseren wichtigsten Beziehungen geweckt. Und Emotionen zwischen Liebenden lassen sich kaum verstehen, ohne zu verstehen, was es mit Bindung auf sich hat.

Die meisten Paare suchen eine Paartherapie auf, weil sie miteinander in einer wiederkehrenden Negativspirale stecken und es aus eigener Kraft nicht schaffen, dieser zu entkommen. Liebende erzählen von Streiten über Kleinigkeiten, die sich emotional hochschaukeln, oder sie leiden unter stillen Konflikten, zunehmender Distanz oder fehlender Intimität. Im Ausdruck von Emotionen ist dabei alles möglich von hochkochend, explosiv und kaum zu besänftigen bis hin zu abgeschaltet, negiert und verdrängt. An diesem Punkt beginnen Partner nicht selten an der Beziehung zu zweifeln. Wo ist die einstmalige Liebe und Verbundenheit hin? Warum leben wir keine Sexualität mehr oder nur noch selten oder unbefriedigend? Warum vertrauen wir uns nicht mehr? Woher kommt all der Ärger, die Kritik, die Abwertung, die Kühle oder Distanz? Wie kommen wir über eine Affäre hinweg?

Sue Johnson hat eine bindungsbasierte Methode für Paare entwickelt, die Emotionen in den Mittelpunkt rückt: die Emotionsfokussierte Paartherapie (EFT). Sie richtet sich an Paare, die einen Weg finden wollen, um zusammenzubleiben oder glücklicher zu werden als bisher. Sie wendet sich nicht an Paare, die sich bereits für eine Trennung entschieden haben, oder wo einer oder beide Partner in so großer Not sind, dass eine individuelle Psychotherapie indiziert ist, bevor es möglich ist, an der Bindungsbeziehung zu arbeiten.

Die Paare, für die eine EFT hilfreich sein kann, erfahren ihre Beziehung aus emotionaler Sicht als unsicher. Das Ziel ist es, eine sichere Bindung zu erschaffen. Doch was genau ist damit gemeint? Die Bindungswissenschaft hat uns in den letzten Jahren vielzählige Studienergebnisse zur erwachsenen Liebe geliefert. Bindung sei, so John Bowlby, der Begründer der Bindungstheorie, nicht nur bedeutsam für Kinder mit ihren Eltern, sondern eben auch für uns Erwachsene.

Sichere Bindung meint, dass Paare eine emotional sichere Verbundenheit erleben und diese wiederherstellen können, falls sie gestört oder unterbrochen wird. Sichere Bindung meint, dass wir unsere Verletzlichkeiten einander zeigen können, da wir ein grundsätzliches Vertrauen zueinander haben, und dass der andere emotional ansprechbar ist und eingestimmt auf uns reagieren wird, wenn wir uns an ihn wenden. Sue Johnson bringt es in mit folgender Frage auf den Punkt: »Bist du da für mich – ansprechbar, zugänglich und emotional engagiert?« (»ARE you there for me – accessible, responsive, engaged?«) Wir wissen heute: Wenn Bindung uns einen sicheren Hafen bietet, können wir von hier aus kraftvoll in die Welt hinausgehen. Sichere Bindung ermöglicht wirkliche Autonomie. Sie ist eine wichtige Quelle für Urvertrauen, Selbstbewusstsein sowie Empathie- und Konfliktfähigkeit.

Bindung heißt nicht, dass zwei Partner ständig zusammen sein müssen, und auch nicht, dass einer einseitig für den anderen da ist oder einer von beiden vereinnahmt wird oder dauerhaft zurückstecken muss. Laut der »Social Baseline«-Theorie von Jim Coan ist es unser physiologischer Grundzustand, in emotionaler Verbundenheit mit wichtigen anderen zu existieren. Bindung ist also »normal«. Sie ist Teil unseres Menschseins.

Bindung ist eng verwoben mit der Fähigkeit, Emotionen zu regulieren. Wie wir diese spüren oder nicht spüren, mit ihnen umgehen und welche Emotionen erlaubt sind und welche nicht, lernen wir zunächst als Kinder in der existenziellen Abhängigkeit von unseren Hauptbindungsfiguren. Wir entwickeln Emotionsregulationsstrategien. Werden zwei Erwachsene ein Paar und geraten miteinander in Bindungsunsicherheit, greifen sie auf diese Strategien unbewusst zurück. Im gegenseitigen Wechselspiel entstehen hier emotionale Dynamiken, die in eine Aufwärts-, aber eben auch Abwärtsspirale geraten können.

Sie erfahren im Folgenden, warum manche Paare in eine emotionale Falle geraten. Und lernen eine Möglichkeit kennen, wie Sie sich im Dschungel der Bindungsemotionen wieder sicher bewegen können.

Die Emotionsfokussierte Paartherapie (EFT) nach Sue Johnson

  • Die EFT ist ein auf der Bindungswissenschaft basierter, humanistischer Ansatz zur Psychotherapie, der systemische und experientielle Interventionen kombiniert. Emotionen und Emotionsregulation werden priorisiert.
  • Ziel der EFT ist eine zunehmende emotionale Balance und Gesundheit durch inneres Wachstum sowie das Gestalten und Erleben von sicheren Bindungsbeziehungen.
  • Die EFT wurde in den 1980er-Jahren als strukturierter Kurzzeitansatz ursprünglich für die Paartherapie entwickelt und wird auch mit Individuen und Familien angewandt.
  • Zahlreiche Studien über die EFT zeigen die Wirksamkeit, signifikante Behandlungserfolge und stabile Langzeiteffekte.
  • Die EFT wird mit hetero-, homosexuellen und diversen Paaren angewandt, mit Paaren aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten sowie denen, die besonders herausgefordert sind, beispielsweise durch Migration, Diskriminierungserfahrung oder psychische und physische Vulnerabilität.
  • Sie entwickelt sich über die Kanadische Mutterorganisation ICEEFT und deren über 60 Mitgliedsorganisationen kontinuierlich weiter. ICEEFT folgt hohen Standards für die Qualitätssicherung und Zertifizierung der Ausbildung und ihrer Trainer.
  • Das Modell hat eine klare Struktur mit drei Phasen, neun Schritten und einer Makrointervention, der sogenannte EFT-Tango.
  • Kontraindikationen für die EFT sind aufgeführt in der entsprechenden Literatur.

Andreas Knuf vermittelt in diesem Buch ein umfassendes Bild über die Welt der Emotionen. Sie sind ein hochwertiges System der inneren Informationsverarbeitung und organisieren unser inneres Erleben wie auch unsere zwischenmenschlichen Interaktionen. Sie kolorieren unsere Welt in vielerlei Hinsicht.

In der Arbeit mit Paaren sind Emotionen zusätzlich der Motor für die ersehnten positiven Veränderungen, für die Paare uns aufsuchen. Ihre emotionalen Signale und Reaktionen ergeben Sinn, wenn wir sie im Kontext ihrer Bindungsbeziehung entschlüsseln. John Bowlby beschrieb, dass die Hauptaufgabe von Emotionen darin bestehe, unsere Bedürfnisse, Motive und Prioritäten einander mitzuteilen. Und mehr noch: Emotionen beinhalten immanente Handlungstendenzen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Erinnern Sie sich: Wenn wir Angst haben, brauchen wir Schutz, wenn wir traurig sind, Trost, Freude möchten wir teilen, Wut trägt ein Bedürfnis nach Grenzen, Scham löst aus, dass wir uns zurückziehen, und bedarf eines empathischen Gegenübers, um uns aus der drohenden Isolation herauszuhelfen.

In der Arbeit mit Paaren destillieren wir das emotionale Erleben beider Partner heraus, versuchen es zu entschlüsseln und setzen es in den Bindungskontext. In Emotionen schwingen Bindungsbedeutungen mit. Was fühlen wir, wenn wir uns von unserer Partnerin nicht gewürdigt, abgelehnt, fallen gelassen oder ausgenutzt, bedroht, übersehen, entmutigt, verraten, verachtet, abgewertet oder stehen gelassen fühlen? Und was, wenn wir uns im Positiven in den Augen unseres Partners als liebenswert, wesentlich, gehört, gemeint, eingebunden, besonders, bedacht, umsorgt, gebraucht, wertgeschätzt erleben? Wir Menschen können in unserem Körper spüren, wie sich das eine und andere jeweils anfühlt, was uns beängstigt oder verärgert, was uns beruhigt, entspannt und offen füreinander sein lässt.

Um das Dilemma von Liebenden zu verstehen, zu ordnen und zu prozessieren, unterscheiden wir zwischen Kernemotionen (primären Emotionen) und reaktiven Emotionen (sekundären Emotionen). Hier ein Beispiel eines Paares, Maria und Thomas, das Sie später noch genauer kennenlernen werden:

Beispiel: »Maria und Thomas«

Maria fühlt sich in ihrer Beziehung zunehmend allein. Manchmal ist sie deswegen unruhig und auch traurig. Gelegentlich, etwa wenn Thomas wieder lang bis in den Abend arbeitet, beginnt sie zu zweifeln. Warum sucht er ihre Nähe immer weniger? Wie wichtig ist sie ihm eigentlich noch? Diese Verletzlichkeit zu zeigen, fühlt sich jedoch zu unsicher an (wer weiß, was er dann über sie denkt?), und sie selbst schiebt diese Gefühle auch gern wieder zur Seite. Inzwischen passiert es häufiger, dass sie Thomas verärgert und aufgeregt erklärt, wo er sie nicht genug wahrnimmt, wertschätzt und was er anders machen soll.

Paare in der Paartherapie sind in einer Krise oder einem unsicheren Miteinander, aus dem sie heraus möchten, aber oft gar nicht wissen, wie. Thomas könnte beispielsweise im Erstgespräch sagen: »Ich weiß gar nicht, warum bei Maria aus jeder Mücke ein Elefant werden muss! Ich tue doch alles für unsere Familie!«

Das tiefer liegende emotionale Erleben ist oftmals nicht im Bewusstsein, überdeckt oder wird verdrängt. Es erscheint manchmal zu schwierig, all das zu fühlen, wenn wir nicht wissen, wie wir damit umgehen können. Wir schützen uns vor Verletzung und manchmal davor, dass sich bestätigen könnte, was unsere Angst uns zuflüstert. Das kann beängstigend sein und ein hilfloses Gefühl auslösen. Und so bestimmt manchmal die laute Musik im Vordergrund das Paargeschehen, etwa der explosive Ärger, das kühle Abwehren oder eine Mischung von beidem. Dabei bleiben Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit, Akzeptanz, Nähe, Autonomie, Trost, Vertrauen, Zärtlichkeit oder Sexualität auf der Strecke, und die Bindung leidet.

Wie Bindung den Umgang mit Emotionen prägt

Was haben wir durch unsere Biografie hindurch über Emotionen gelernt? Insbesondere die frühen Lebensjahre prägen uns hier. Wir erfahren durch das Zusammensein unserer Hauptbindungsfiguren, was es mit Emotionen auf sich hat. Werden wir willkommen geheißen und gehalten, wenn wir auf die Welt kommen? Dürfen unseren Emotionen sein und reguliert unsere Hauptbindungsfigur sie? Der Säugling braucht dafür zu Beginn seine Mutter, er kann Emotionen nicht selbstständig regulieren!

Während wir aufwachsen, lernen wir, ob es sicher ist, unsere primären Emotionen zu fühlen, oder ob es unsicher, ambivalent oder gar gefährlich ist. Wir lernen, ob unsere ausgedrückten Bindungsbedürfnisse gesehen werden und sich um uns gekümmert wird. Oder ob wir uns selbst überlassen bleiben oder Ablehnung erfahren, wenn wir uns mit Gefühlen und damit verletzlich zeigen. Wir lernen, ob wir akzeptiert, angenommen und gefördert werden, wenn wir unsere Autonomie ausdrücken und die Welt erobern wollen. Oder ob es ambivalent ist, »mal so, mal so« und es Bedingungen dafür gibt, dass wir geliebt werden und »richtig sind«.

Erfahren wir als Kinder unsere primäre Bindungsfigur als »sicher genug«, werden wir ausreichend gesehen, geliebt, beruhigt und emotional versorgt, im Arm gehalten und gewogen, dabei unterstützt, selbstständig die Welt zu erkunden, ohne allein gelassen zu werden, sowie ermutigt, uns zu entwickeln, und geschützt, wenn wir es brauchen, dann sind unsere Chancen groß, dass wir mit dem Aufwachsen lernen, unsere Emotionen wahrzunehmen und zu regulieren. Dann müssen wir keine Angst entwickeln, uns an andere zu wenden, wenn wir sie brauchen. Wir lernen, dass wir Bindungsfiguren vertrauen können und sie für uns emotional sicher genug und präsent sind – ein sicherer Hafen eben. Mit dem Älterwerden verinnerlichen wir unsere primären Bindungsfiguren, sie werden ein Teil von unserer inneren emotionalen Landschaft.

Aus diesen frühen Bindungserfahrungen entwickelt sich unsere Bindungsstrategie, die entweder sicher oder eben unsicher ist und damit beeinflusst, wie wir mit Emotionen umgehen. Natürlich können diese im Laufe unserer Lebenserfahrungen durch neue korrigierende Erfahrungen modifiziert und überschrieben werden. Und manchmal kann dabei eine Psychotherapie unterstützen oder, in unserem Falle, eine Paartherapie.

Ist die Bindung zu unseren primären Bindungsfiguren unsicher, erleben wir die Not von Bindungsverlust oder sind unsere Bindungsfiguren gar eine Quelle von Gefahr, findet das kindliche Nervensystem eine physiologische Lösung beispielsweise darin, Emotionen aufzudrehen oder abzuschalten. Das Baby spürt genau, wann Mama sich empathisch zuwendet und wann sie sich gegebenenfalls abwendet, und wird sein Verhalten daran anpassen. Das kleine Kind hat keine Wahl: Es passt sich an, weil es sich anpassen muss. Bindung ist überlebensnotwendig, und Bindung zu sichern hat Priorität.

Das kleine Kind, das gelernt hat, dass es positive Zuwendung über »gute Performance« und Leistung bekommt, wird dies aller Voraussicht nach in seinem Leben vorerst weiterführen. Das Kind, das bei Traurigkeit auf Ärger oder beschämende Verharmlosung seitens seiner Eltern stößt, wird sich wohl mehr und mehr in sich zurückziehen und versuchen, damit allein zurechtzukommen oder all das gar nicht mehr zu fühlen. Behält es auch im Erwachsenenalter diese Strategie bei, wird die fehlende Nähe und Öffnung auch weniger Verbundenheit zu möglichen Partnern – den Bindungsfiguren von heute – mit sich bringen.

In unserer Kindheit bestand also die Notwendigkeit, Bindung zu erhalten oder mitunter mit ambivalenter, fehlender oder gefährdender Bindung zurechtzukommen oder zu überleben. Herausgebildete Emotionsregulationsstrategien nehmen wir mit in unser erwachsenes Leben und in unsere Bindungsbeziehungen. Sie holen uns ein und bewegen uns – bis wir ihrer bewusst werden und sie selbst in eine Richtung bewegen, in die wir wollen.

Jedoch sind sie vorerst unsere Brille, durch die wir unsere aktuellen Bindungsfiguren, uns selbst und Liebesbeziehungen sehen. John Bowlby nennt das die »inneren Arbeitsmodelle«. Und diese können sich durch ausreichend neue, emotional sichere Erfahrungen mit Menschen, die vertrauenswürdig und zugewandt sind, verändern. Hier setzen wir in unserer Arbeit mit Paaren an. Wir müssen uns als Liebende daran erinnern, dass wir andere brauchen, um emotional in Balance zu sein, uns zu entfalten und den Herausforderungen des Lebens resilient zu begegnen. Allein zu sein ist keine Option! Es widerspricht der menschlichen Natur.

Unter- und überregulierte Emotionen

In unserer Praxis sehen wir in der Regel Paare, deren Bindung unsicher und nicht mehr in emotionaler Balance ist. Einer der Partner oder beide gehen damit um, indem die Emotionen über- oder unterreguliert werden. Wir sprechen von der vermeidenden sowie der ängstlichen Strategie, wobei auch beide zusammen vorkommen können. Diese Strategien werden weder pathologisiert noch bewertet, im Gegenteil: Wir validieren sie als die bindungsbiografisch entstandene adaptive Notwendigkeit, um Zugehörigkeit und Zuwendung so gut wie möglich zu wahren oder uns als Kinder, soweit möglich, zu schützen.

Wenn wir unsere Emotionen unterregulieren, haben wir eine Tendenz zu der ängstlichen Bindungsstrategie. Dann könnten wir uns beispielsweise innerlich sagen:

»Ein Teil von mir ist immer in Sorge, ob ich dir wichtig bin und wie viel ich dir bedeute. Meine Alarmglocke läutet manchmal, wenn ich dich weit weg erlebe. Dann fühle ich mich nicht gesehen und nicht wertgeschätzt, und das bestätigt meine Angst und macht mich auch wütend. Ich fühle mich dann allein mit allem, als wäre ich dir egal! Das kann mich manchmal richtig panisch machen. Wenn ich dich dann anspreche und du nicht reagierst, kann es mich richtig überwältigen. Dann flippe ich aus und es sprudelt aus mir heraus, was mir alles nicht passt und wo ich mich alleingelassen fühle, und ich kritisiere dich und fordere von dir, dass du etwas änderst. Die Hauptsache für mich ist, dass ich wieder Kontakt zu dir fühlen kann. Das Schlimmste ist, wenn du mauerst, dann fühle ich mich so verloren und wertlos. Erst, wenn ich mich dir wieder nah fühle, kann ich mich etwas beruhigen.«

Wenn wir hingegen unsere Emotionen überregulieren, haben wir eine Tendenz zu der vermeidenden Bindungsstrategie. Dann können wir uns zum Beispiel innerlich sagen:

»Wenn mich etwas verunsichert, schiebe ich es eher beiseite, rationalisiere und suche nach Lösungen oder widme mich meinen Aufgaben.

Wenn ich dich ärgerlich oder kritisch erlebe, verstehe ich die Welt nicht mehr und erfahre innerlich sehr viel Stress. Ich fühle mich wie ein Versager und hilflos. Dann gehe ich in Deckung und hoffe, du beruhigst dich irgendwann. Ich versuche, vernünftig damit umzugehen. Manchmal denke ich, ich brauche niemanden, ich komme besser allein zurecht. Ich versuche, alles richtig zu machen, und doch scheint es nie genug zu sein. Manchmal verteidige ich mich und werde auch ärgerlich, um Abstand und Ruhe zu bekommen – denn ich halte es nicht gut aus, dass es diese Spannung gibt zwischen uns. Ich bin dann allein und fühle mich deprimiert, aber wenigstens hört es erst mal auf. Mit meiner Arbeit versuche ich mich dann abzulenken.«

Bindungsemotionen im Duett

Je nachdem, wie ausgeprägt und unflexibel unsere Emotionsregulation ist, desto größer kann die Not zwischen Liebenden werden. Es kann für Partner zu beängstigend sein, primäre Emotionen, Verletzlichkeiten, Ängste und Bindungsbedürfnisse direkt auszudrücken. Das kann sich so weit ausprägen, dass Partner manchmal gar nicht oder nur minimal wahrnehmen können, was sie fühlen, und das Gefühlte direkt wegschieben oder nicht wahrhaben wollen.

Beispielsweise wird die Angst, verlassen zu werden (primäre Emotion), in Ärger verwandelt (sekundäre Emotion), um zu versuchen, Bindung wieder abzusichern. Oder die Hilflosigkeit und das Gefühl, in den Augen des Partners zu versagen, werden versachlicht und beschwichtigt. Die sekundären Emotionen sind eine Folge der Unsicherheit und Angst, das primäre emotionale Erleben wirklich zu spüren, die darin innewohnenden Bindungsbedürfnisse wahrzunehmen und zu adressieren. Die Chance wird verpasst, Emotionen mit der wichtigsten Person, der Bindungsfigur, zu regulieren, und der Einzelne bleibt damit allein – und physiologisch bleibt der Stress im Nervensystem.

Indem Partner nach außen nicht zeigen, was sie Verletzliches im Inneren fühlen – oder fühlen würden, wenn sie sich das erlauben könnten –, um sich bewusst oder eben auch oft unbewusst zu schützen, entstehen kleine und große Risse, Brüche oder Bindungsverletzungen in der Partnerschaft.

Ein Partner, der wütend und anklagend auftritt, wenn er sich tief in sich verloren, verlassen und übersehen fühlt, wird bei seiner Partnerin meist nicht auf die Empathie und Zuwendung stoßen, die er eigentlich bräuchte, um sich zu beruhigen und wieder verbunden zu fühlen. Und die Partnerin, die sich gleichgültig gibt und abwehrend gereizt zeigt, wenn sie sich tief im Inneren nicht akzeptiert und gut genug fühlt, wird ebenso nicht die emotionale Bestätigung erfahren, die sie eigentlich benötigt, um zu emotionaler Ausgeglichenheit und einem Gefühl von Sicherheit zurückzukehren.

Schafft das Paar nicht, die emotionalen Risse und Brüche in ihrer Bindung zu reparieren, entstehen dadurch die Beziehung gefährdende Muster, die Sue Johnson »negative Zyklen« oder Teufelskreise genannt hat. Diese verstärken meist genau das, was die Liebenden am meisten befürchten.

Mit unseren Paaren rahmen wir also ihr emotionales Erleben im Bindungskontext neu – das ist der Tanzboden, auf dem Liebende sich zur Musik ihrer Emotionen bewegen. Wenn wir von Bindungsemotionen sprechen, haben wir es am meisten mit Angst, Wut, Scham und Traurigkeit zu tun. Angst spielt eine entscheidende Rolle. Wir kennen sie im bedrohlichen Ausmaß als Panik, als die Angst vor Bindungsverlust und Ausgeschlossensein, die Urangst des Menschen.

Wir haben es zu tun mit Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühlen sowie der Trauer, Empörung und Verzweiflung darüber und wiederum der Angst davor – manchmal angeheizt durch die Bindungsstrategien der Partner. Und natürlich begegnen wir auch den als positiv angesehenen Kernemotionen Freude und Überraschung, etwa wenn einer von beiden sich zu öffnen wagt, plötzlich etwas Weiches und Verletzliches zeigt und damit seine Partnerin im Herzen berührt, wodurch eine neue positive emotionale Erfahrung möglich wird.

Beispiel: »Maria und Thomas«

Maria und Thomas sind seit 14 Jahren ein Paar. Sie haben eine Tochter, die achtjährige Lea, und einen Sohn, Tobias, 11 Jahre. Maria ist selbstständige Fremdsprachenkorrespondentin und Thomas als Außenhandelskaufmann beruflich viel unterwegs. Die beiden kommen in die Paartherapie, da ihre Beziehung, wie sie sagen »am Abgrund steht« und sie ihr eine letzte Chance geben wollen.
Thomas musste in seinem Leben lernen, Emotionen weitgehend zur Seite zu schieben. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er drei Jahre alt war, und er wuchs mit seiner, wie er sagt, »besorgten und überforderten« Mutter auf. Nähe ist für ihn mit ambivalenten Gefühlen verbunden. Frei und unbesorgt fühlt er sich, wenn er auf Reisen ist und »niemand ihn kontrolliert«. Er bekommt viel Anerkennung in seinem Beruf.
Maria ist in einem »emotional turbulenten« Elternhaus aufgewachsen. Ihre Eltern haben viel und heftig gestritten, sich aber auch geliebt. Ihr Vater hatte, als sie 13 Jahre alt war, eine längere heimliche Affäre, die per Zufall entdeckt wurde. Sie versuchte, ihre Mutter zu trösten, die danach depressiv war und unter Panikattacken litt.
Die ersten Jahre ihrer Beziehung beschreiben Maria und Thomas als glücklich. Sie haben sich bei einem gemeinsamen Hobby kennengelernt und sind in ihrer Freizeit viel zusammen gereist. Mit der Geburt von Tobias, der zu früh auf die Welt kam und die ersten vier Wochen auf der Intensivstation liegen musste, hat sich ihr Leben um 180 Grad geändert. Maria beschreibt es so, dass von da an das »Alleinsein« begonnen und sie sich oft überfordert gefühlt habe. Thomas sagt, er habe viel Energie in den Aufbau einer beruflichen Existenz für die Familie gesteckt.
Maria beschreibt, wie sie immer versucht, Gespräche mit Thomas anzufangen, in denen sie ihre Gefühle erklärt und ihn dazu bewegen will, mehr für sie und die Kinder da zu sein. Thomas empfindet das als Kritik und Abwertung und fühlt sich nicht angenommen. Er versucht,

Lösungen zu finden, und zieht sich immer weiter hinter seiner Mauer zurück, was Maria zunehmend verzweifeln lässt. In den letzten Monaten sind ihre Streite so heftig eskaliert, dass Maria gedroht hat, sich zu trennen und mit den Kindern auszuziehen, wenn Thomas »sich nicht ändert«. Thomas fühlt sich ohnmächtig und hat sich einverstanden erklärt, eine Paartherapie aufzusuchen, da er die Beziehung mit Maria nicht verlieren will.

Der Beziehungstanz von Maria und Thomas

Der Beziehungstanz von Maria und Thomas ist ins Schleudern gekommen. Beide haben einen Umgang damit gesucht und dabei unbewusst auf ihre früh verinnerlichten Emotionsregulationsstrategien zurückgegriffen: Maria mit der Suche nach Kontakt, die mit viel Reden, Erklärungen, Ärger und Kritik einhergehen, und Thomas mit Einzelkämpfertum, Rationalisierung und Abwehr. Beide versuchen damit, sich zu schützen. Die »laute Musik« hat im Laufe der Zeit die »leise Musik« darunter übertönt: die verletzlichen Gefühle beider. Thomas fühlt sich hilflos, nicht richtig und nicht akzeptiert, Maria hat Angst davor, nicht wichtig zu sein, und fühlt sich alleingelassen und unverbunden, was ihre Angst noch verstärkt.

Emotionale Dynamiken von Liebenden: Die Teufelskreise

Maria und Thomas sind in den am weitesten verbreiteten Teufelskreis geraten, der zwischen Liebenden entstehen kann, den von Verfolgen und Zurückziehen. Eine Dynamik, die sich als gegenseitig verstärkende Feedbackschleife wiederholt und zuspitzt.

Hier ist ein Tanz entstanden, in dem sich beide Partner an der Oberfläche mit ihren sekundären Emotionen zeigen, mit angreifendem Ärger und lauter Verzweiflung bei Maria und hilfloser Verteidigung und Fluchtgefühlen bei Thomas. Hinter diesen Schutzmustern bleiben die primären Kernemotionen im Verborgenen. Die Verletzlichkeit wird gut geschützt und der Teufelskreis dreht sich weiter: Je mehr Thomas mauert, desto größer wird Marias Verzweiflung, und je mehr Maria angreift, desto mehr zieht sich Thomas in seiner Hilflosigkeit zurück.

In unseren Praxen sehen wir Varianten dieser negativen Zyklen: Verfolgen – Zurückziehen, Verfolgen – Verfolgen, Zurückziehen – Zurückziehen und manchmal eine höchst dramatische Mischung aus allem. Damit beginnt, oft als schleichender Prozess, eine Bindungsbeziehung unsicher zu werden.

Und tatsächlich sind emotionale Brüche und Verletzungen nicht das eigentliche Problem, sondern dass Partner diese nicht emotional reparieren und das Vertrauen und die Bindungssicherheit wiederherstellen. Oft wissen sie auch nicht, wie sie das tun können, wenn sie keine Vorbilder in ihrer Entwicklung hatten – und von einer »Schule« für Bindung und Liebe sind wir gesellschaftlich weit entfernt.

Die damit wachsende Bindungsunsicherheit ist ein hoher physiologischer und psychischer Stressfaktor, der Partner manchmal noch tiefer in ihre Schutzmechanismen wie Kämpfen, Flüchten oder gar Erstarren treibt. Finden Paare keinen Weg zurück zu emotionaler Verbundenheit, sind Einsamkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit die Folge. Die Bindungsbeziehung gerät in die Krise.

Wie können wir nun helfen, das emotionale Dilemma, in dem sich Paare wie Maria und Thomas verfangen, zu entwirren und einen sicheren Hafen miteinander zu erschaffen?

Mit Emotionen tanzen

Es hilft Paaren zu erkennen, zu welcher emotionalen Musik sie eigentlich tanzen – wer welche Schritte setzt und wann sie die Tanzfläche vielleicht sogar ganz verlassen. In unserer Arbeit verknüpfen wir das Verhalten und die sekundären Emotionen mit den tiefer liegenden primären Emotionen, die sich im Laufe des Prozesses mehr und mehr erschließen. Wenn ein Paar erkennt, wie es seinen gemeinsamen Tanz tanzt und sich dabei verfängt, ist das ein Schritt in die Deeskalation seines negativen Zyklus.

In der zweiten Phase geht es darum, neue korrigierende emotionale Erfahrungen miteinander zu schaffen. Unsere innere Angst braucht emotional neue und positive Interaktionen, damit wir unseren Schutz Stück für Stück ablegen können. Auf dem Weg zu einer sicheren Bindung wagen die Partner neue Tanzschritte, mit denen sie sich in ihrer Verletzlichkeit einander zuwenden und lernen, sich emotional abzuholen – sie lernen, mit »ARE« zu reagieren: ansprechbar, zugänglich und emotional engagiert. Erst mit der damit neu gewonnenen Bindungssicherheit können Paare »neue Lösungen für alte Probleme« finden. Kurz gesagt: Paare, die die laute, vordergründige Musik von der darunter liegenden, sanfteren und vorerst leiseren Musik unterscheiden lernen, können eine neue Wahl für neue, verbindende Tanzschritte treffen.

Affektelemente auffächern und vertiefen

Um mit Bindungsemotionen zu arbeiten, hat Sue Johnson eine Intervention geschaffen, die sie den »EFT-Tango« nennt und die fünf Tanzschritte eines Prozesses in jeder Sitzung beschreibt. Im zweiten Tanzschritt machen wir Emotion experientiell erfahrbar – zuerst mit einem, später mit dem anderen Partner. Wir nennen das die Zusammenfügung der Affektelemente.

Dieser Prozess startet mit einem Trigger, einem Auslösereiz, unmittelbar gefolgt von einer limbischen Reaktion, die uns signalisiert, ob die Situation oder unser Gegenüber sich für uns sicher oder verunsichernd anfühlt, ob wir uns entspannen oder schützen müssen – und das passiert schneller, als wir intellektuell entscheiden oder kontrollieren könnten. Zu einem emotionalen Erleben gehört außerdem unser Körpererleben, also zum Beispiel der erhöhte Herzschlag, die Spannung im Nacken, die weichen Knie, der »Frosch« im Hals etc.

Wesentlich ist auch, welche Bedeutung Partner ihrem emotionalen Erleben zuschreiben – wir Menschen interpretieren, was wir fühlen auf Grundlage unserer Erfahrungen. Im Rahmen der Arbeit mit Paaren sprechen wir hier von Bindungsbedeutungen. Die innere Bindungsunsicherheit und Angst könnten beispielsweise fragen: »Bin ich in deinen Augen noch liebenswert? Akzeptierst du mich, auch wenn ich andere Bedürfnisse habe? Bleibst du bei mir, auch wenn ich einen Fehler gemacht habe? Bist du vertrauenswürdig? Stehst du zu mir? Kann ich mich dir öffnen, ohne abgelehnt zu werden? Interessierst du dich wirklich für mich mit all meinen Schwächen und Verletzlichkeiten? Oder geht es dir nur darum, dass ich perfekt funktioniere, immer freundlich bin oder dir den Rücken für deine Karriere freihalte?«

Ein weiteres Affektelement ist die Handlungstendenz: das Verhalten oder der Impuls für eine bestimmte Handlung, selbst wenn wir sie nicht konkret ausführen, weil sie etwa zu beängstigend ist. Hierhin gehören auch die sekundären Emotionen: »Wende ich mich ab? Baue ich eine Mauer? Zeige ich mich groß und stark durch reaktiven Ärger und durch Angriff, Kritik oder Abwertung? Bereite ich mich schon einmal darauf vor, mich notfalls von dir zu trennen, damit ich den Schmerz nicht spüren müsste, falls du mich verließest? Beschäme ich dich, damit ich meine eigene, von früher herrührende Scham nicht spüren muss? Suche ich permanent nach Lösungen, damit ich mich nicht ohnmächtig fühlen muss? Suche ich Anerkennung und Wertschätzung außerhalb der Beziehung, da es sich zu gefährlich anfühlt, dich nah an mich heranzulassen, und versuche ich dich davon zu überzeugen, dass das in einer Beziehung so sein muss?«

Das neu explorierte und zusammengefügte emotionale Erleben bringen wir in den direkten Kontakt zwischen den Partnern und bearbeiten die damit aufkommenden emotionalen Blockaden, Ängste oder neuen, näheren Momente von Begegnung. Hier ein Beispiel mit Maria und Thomas:

Beispiel: »Maria und Thomas«

Maria: Und dann ist er immer noch am Telefonieren, und es ist schon spät am Abend … und ich frage mich: Wer oder was, um Teufels willen, ist so wichtig, dass mein Mann so spät noch telefonieren muss? (Reaktive Emotion – Ärger – steigt hoch.)

Therapeutin: Das macht viel mit Ihnen, richtig? Sie sehen Ihren Mann telefonieren (Trigger), und da geht Ihr innerer Alarm los ( limbische Wahrnehmung) – »Wer oder was ist da so wichtig … wichtiger als ich?« (Bindungsbedeutung)

Maria: (ärgerlich) Ja, absolut! Ich bin ihm schon lange total unwichtig! Und seit er diesen neuen Job hat, ist es besonders schlimm …

Therapeutin: Ja, es macht Sie ärgerlich (reaktive Emotion), denn Sie fühlen sich, als wären Sie total unwichtig für Ihren Mann (Bindungsbedeutung) … Und dann … zeigen Sie ihm das auch (Frage nach Verhalten)?

Maria: Ja, ich fange an, nachzufragen. Mit wem musstest du jetzt noch telefonieren? Ist das jetzt wirklich notwendig? Aber wenn das Telefonat länger geht, fange ich innerlich an zu kochen.

Therapeutin: Ja, ich höre Sie, in Ihnen fängt es an zu kochen, denn Sie fragen sich, während Ihr Mann mit etwas anderem beschäftigt ist (Wiederholung Trigger): »Bin ich ihm überhaupt noch wichtig (Wiederholung Bindungsbedeutung)? Was bedeute ich ihm eigentlich? Wieso verbringt er den Abend nicht mit mir?« Und mit Ihrem Ärger versuchen Sie dann, Thomas zu erreichen?

Maria: Ja, das tue ich. Ich will ja Kontakt zu ihm! (schaut kurz zu T homas hinüber)

Therapeutin: Maria, während Sie das gerade sagen »Ich will ja Kontakt zu ihm …«, (verlangsamt) was passiert gerade in Ihnen?

Maria: Ich weiß nicht genau … Es fühlt sich irgendwie … (stockt)

Therapeutin: … traurig an? (vermutet eine primäre Emotion)

Maria: Das … ja, so ist. Unendlich traurig eigentlich.

Therapeutin: Ja … (verlangsamt) Es macht Sie traurig, der Gedanke, Ihrem Mann nicht wichtig zu sein. Und gerade, wo Sie mir hier davon erzählen, kommen Tränen in Ihre Augen … (spiegelt primäre Emotion)

Maria: (nickt) Es fühlt sich eng an. Meine Brust ist wie zugeschnürt.

Therapeutin: Eng in Ihrer Brust, wie zugeschnürt (Körperaktivierung) …
Da spüren Sie: »Vielleicht bin ich dir gar nicht mehr wichtig? Was bedeute ich dir noch?« Und das macht Sie unendlich traurig. Sie sehnen sich nach mehr Kontakt zu Ihrem Mann … (Vertiefung des gesamten Erlebens.)

Maria: Puh, ja. Ich fühle mich oft sehr allein ( beginnt zu weinen. T homas schaut zu ihr und sein Blick wird zugänglicher). Vielleicht ist seine Liebe gar nicht mehr da. Vielleicht ist er innerlich schon gar nicht mehr bei mir. (Ihre tiefer liegende Angst von Bindungsverlust deutet sich an.)

Die Therapeutin hilft Maria, ihr inneres Erleben mithilfe der Affektelemente zu erforschen, zu verknüpfen, bewusst zu erleben und mit Sinn zu erfüllen. Und dann hilft sie Thomas, Maria von einer Seite kennenzulernen, die er normalerweise zu Hause nicht erlebt – dort bekommt er meist nur ihren Ärger oder ihre Vorwürfe zu hören. Sie hilft Thomas, mehr und mehr mit »ARE« zu reagieren, und das wiederum ist beruhigend für Maria. Später im Prozess fühlt sie sich sicher genug, sich Thomas zu öffnen:

»Ich habe manchmal Angst, dass ich dir gar nichts mehr bedeute. Dass ich vielleicht langweilig für dich geworden bin, vielleicht sogar unattraktiv! Wenn ich mich dann so allein mit allem fühle, dann sehne ich mich eigentlich nach Nähe zu dir. Dann komme ich und stelle dir all diese Fragen, um herauszufinden, was ich dir bedeute. Ich weiß, dass ich dir dann endlos Vorwürfe mache – ich bin einfach verzweifelt. Umso länger ich dich mit anderen Dingen beschäftigt sehe, desto mehr beginnt es in mir zu kochen. Darunter schrillt der Alarm! Ich habe Angst, dass ich deine Liebe schon verloren habe …«

Verknüpfung

Stellen Sie sich nun den Tango-Move 2 mit Thomas vor – oder jemandem, mit dem Sie selbst arbeiten. Oder Sie nehmen sich selbst! Wie können Sie Trigger – limbische Reaktion – Körperwahrnehmung – Bindungsbedeutung – Handlungstendenz verknüpfen, sodass ein emotionales Erleben Sinn ergibt? Falls Sie mit Thomas gehen, könnte Ihr Startsatz sein: »Und dann sehe ich schon wieder Marias vorwurfsvolles Gesicht, und dann …« (Trigger)

Emotionale Begegnungen ermöglichen

Wenn ein neues Element im emotionalen Erleben aufgetaucht ist, choreographieren wir eine Begegnung zwischen den Partnern. Mit Thomas und Maria könnte es so weitergehen:

Therapeutin: Maria, können Sie das zu Thomas sagen: »Mein Ärger ist ein hilfloser Protestversuch gegen die fehlende Verbindung zu dir. Darunter habe ich Angst, dass ich deine Liebe schon verloren habe. Und das wäre schrecklich. Die Angst schnürt mir die Brust zu.« Können Sie ihm in die Augen schauen und von Ihrer Angst erzählen?

Reaktion des Partners

Nun kann sich der Prozess unterschiedlich entwickeln – vielleicht braucht Maria erst noch Unterstützung, um etwas von ihrer Verletzlichkeit zu teilen. Vielleicht gehen wir erst zu Thomas und fragen ihn, wie das alles bei ihm ankommt und was er emotional erlebt. Wenn Maria ihr inneres Erleben teilt, könnte Thomas sehr verschieden darauf reagieren, beispielweise:

  1. Variante, in der bereits etwas Öffnung sichtbar wird
    Therapeutin: Thomas, wie ist das für Sie zu hören?
    Thomas: (schaut zu Maria) Das hast du so noch nie gesagt. Ich wusste nicht, dass du so viel Angst hast. Ich sehe ja immer nur deinen Ärger … Und ich bin gar nicht weg, ich schütze mich nur vor all diesen Vorwürfen.
  2. Variante, die noch unsichere Bindung zeigt und mehr Prozess benötigt
    Thomas: (schaut von Maria weg) Das ergibt keinen Sinn für mich. Warum solltest du Angst haben? Du weißt doch, dass ich da bin. Ich rackere mich doch die ganze Zeit für die Familie ab!
    Therapeutin: Thomas, lassen Sie uns hier einen Moment anhalten. Ich möchte gern verstehen, was bei Ihnen gerade passiert. (verlangsamt) Maria hat sich eben mit etwas gezeigt, was neu für Sie zu hören sein muss. Was eigentlich unter ihrem Ärger und all den Vorwürfen steckt. Dass sie Angst hat, sie hätte Ihre Liebe schon verloren … Was passiert in Ihnen, Thomas, wenn Sie Marias Tränen sehen?
    Thomas: Ja, das kommt mir seltsam vor. Ich verstehe diese Tränen nicht. Worüber beklagt sie sich eigentlich?
    Therapeutin: Oh ja, das ergibt Sinn, wo Sie beide schon so lange in diesem Teufelskreis gefangen sind, in dem Sie Ihre Frau nur ärgerlich und vorwurfsvoll erleben. Und das ist schlimm für Sie. (Er nickt.) Und Sie fühlen sich dann hilflos und wie ein Totalversager, und dann ziehen Sie sich zurück, um all das nicht mehr fühlen zu müssen.
    Thomas: Ja, es ist einfach sinnlos, darüber zu streiten!
    Therapeutin: Es muss für einen Teil in Ihnen wirklich schwer sein, Marias Tränen hier zu sehen. Und zu hören, dass sie Angst hat, Ihre Liebe schon verloren zu haben … (verlangsamt) So redet sie nie zu Hause.
    Thomas: Ja, das ist richtig. Ich weiß gar nicht, was ich damit tun soll. (schaut einen kurzen Moment zu Maria)
    Therapeutin: Ja, das ist absolut neu, sie so zu sehen. (kurze Pause) Sie wissen gar nicht, was Sie damit tun sollen. Wie ist es, zu ihr hinüberzuschauen? Was sehen Sie in Marias Augen?
    Thomas: Keinen Ärger. Nur Tränen. (nachdenklich und nach einer Pause an Maria) Ich möchte nicht, dass du Angst hast. Aber ich verstehe das alles, glaube ich, noch nicht. (Seine Stimme klingt etwas zugewandter und er schaut hilfesuchend zur Therapeutin.)

Die Therapeutin wird Thomas helfen, den Zusammenhang zu erkennen und validiert seine neue Offenheit, verstehen zu wollen, was bei Maria passiert.

Die emotionalen Begegnungen zwischen zwei Partnern, die sich in einem Teufelskreis verfangen haben, werden im Laufe des Prozesses umfassender und tiefer. Auf dem Weg, die eigenen primären und verletzlichen Gefühle selbst zu spüren, zu verstehen und den Mut zu fassen, sich damit mitzuteilen, liegen meist Ängste, Scham oder Bindungsverletzungen, die es anzuschauen und zu bearbeiten gilt. In der zweiten Phase des Paarprozesses werden emotional korrigierende Erfahrungen möglich. Thomas wird beispielsweise zu Maria sagen können:

»Ich musste in meinem Leben immer allein zurechtkommen. Und ich war immer stolz darauf, so selbstständig und unabhängig zu sein. Jetzt erkenne ich, dass darunter auch meine Angst vor Nähe zu dir liegt. Nähe war für mich früher immer damit verbunden, dass meine Mutter mich kontrolliert und mich für ihre eigenen Ängste aufgesucht hat. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich wirklich akzeptiert werde, wie ich bin und was ich brauche. Für mich war Nähe immer etwas, was man eher vermeiden sollte, weil es eh nie um mich gehen wird. Ich glaube, hinter meiner starken Fassade bin ich auch irgendwie ein Angsthase. Aber ich sehne mich danach, dass du mich akzeptierst. Und dass du mir vertraust, dass ich es gutmache. Dass ich in deinen Augen kein Totalversager bin, wenn ich mich mal hilflos fühle oder einen Fehler mache.«

Maria könnte ihn daraufhin anlächeln. Und man kann vielleicht spüren, wie sie einen tiefen Atemzug nimmt und sich in ihrem Kontakt miteinander etwas zu verändern beginnt: Es ist ein Tanzschritt hin zu sicherer Bindung. Die beiden beginnen, über ihre primären Emotionen zu sprechen, statt sich in den reaktiven Schutzmustern zunehmend zu entfernen und zu verstricken. Die leise Musik wird hörbar und ermöglicht einen neuen Tanz.

Mit Emotionen im Hier und Jetzt

Um den Fluss von Emotionen zu begleiten, sei er nun reißend und voller Stromschnellen, eher durch Hindernisse geblockt oder nur noch vor sich hin tröpfelnd seicht, ist unsere innere Haltung wichtig. Heutzutage wissen wir, wie wesentlich die Beziehung und Allianz zwischen Klienten und Therapeuten den Erfolg der therapeutischen Prozesse beeinflusst. Um verletzlichen Emotionen Raum zu geben, brauchen unsere Klienten genug Sicherheit mit uns.

Hier hilft eine humanistische Haltung, die von Empathie und Akzeptanz geprägt ist. Wie ist es für mein Gegenüber, er oder sie selbst zu sein in dieser Lebenssituation, die er mit mir teilt? Wie fühlt sich das, was wir hören und sehen, in unserem eigenen Körper an? Empathisches Einfühlen bedeutet, dass wir uns neben unsere Klienten »setzen« und mitspüren – bis wir selbst das emotionale Dilemma ihrer unsicheren Bindung erfassen.
Paare benutzen eigene Worte und Bilder für ihr emotionales Erleben.

Wir nennen das »emotionale Anker«. Sue Johnson hat ein Akronym kreiert, um sich in unsere Klienten einzustimmen: RISSSC. Es bezeichnet, wie wir unsere Interventionen und Stimme nutzen, um Sicherheit zu schaffen, um Verletzliches zu »riskieren« (to risk).

  • R Repeat – Wiederholen
  • I Image – Bilder nutzen
  • S Slow – Verlangsamen
  • S Soft – Sanft
  • S Simple – Einfache Sprache
  • C Client‘s words – Worte der Klienten

Unsere eigenen Emotionen

Unsere eigenen ausbalancierten Emotionen als Therapeuten sind im Therapieprozess nicht nur akzeptiert, sondern sogar erwünscht. Sie können ein wichtiger Impulsgeber für den Prozess sein.

Wir verstehen uns als »Übergangsbindungsfiguren«: Wir sind emotional präsent, neugierig und unterstützend, und wir übernehmen die Führung, wenn das Paar droht, sich in ihrem Teufelskreis zu verlaufen. Wir helfen, Gefühle zu spüren und diese mitzuteilen und damit etwas Neues zu wagen. Wir fungieren des Öfteren als Brücke zwischen zwei Partnern, bis sie sich selbst einander öffnen und abholen können. Wir stehen ihnen zur Seite, wenn Angst, Schmerz, Scham, Trauer und emotionale Blockaden auftauchen. Wir sind da, wenn sie ein emotionales Risiko eingehen und etwas zeigen, was sie vielleicht noch nie jemandem zeigen konnten, ohne verletzt oder negiert zu werden. Wir signalisieren, dass es sich lohnt, Kontakt, Nähe und Bindung herzustellen, wenn es sicher genug ist. Manchmal offenbaren wir etwas, was wir selbst erlebt haben, wenn es uns nützlich für den Prozess erscheint.
Manchmal berührt uns das, was vor uns passiert, tiefer. Vielleicht werden wir an eigene Verletzlichkeiten und schmerzliche Erfahrungen erinnert. In der EFT rechnen wir damit und heißen es willkommen. Es ist normal. Wir begreifen es als einen Wachstumsschritt für uns selbst, wenn unsere Klienten uns etwas spiegeln. Wir nehmen unsere eigenen Emotionen wahr und ernst und kümmern uns nach den Sitzungen darum, indem wir uns etwa an unsere Partnerinnen, Kollegen oder Supervisorinnen wenden.

Empfehlungen zum Umgang mit Paaren

  • Setzen Sie die Bindungsbrille auf. Was ist die verzweifelte Einsamkeit unter den explodierenden Anklagen? Was ist die schreckliche Angst vor Ablehnung und Zurückweisung hinter der eiskalten Mauer? Wir alle bekommen Panik, wenn unsere Bindungsbeziehung gefährdet ist – und sei es nur in unserer Wahrnehmung, die durch frühere Erfahrungen gespeist wird. Pathologisieren Sie nicht.
  • Stimmen Sie sich empathisch in das Erleben ein. Spüren Sie erst genügend mit, bevor Sie analysieren.
  • Erweitern Sie Ihren Bindungsradius um einen systemischen Blick. Partner bedingen sich gegenseitig und verfangen sich in negativen Zyklen, die mit der Zeit immer hilfloser und verzweifelter machen. Was tun beide Partner, um damit zurechtzukommen und sich und die Beziehung zu schützen, und wie triggert das den anderen? Helfen Sie dem Paar, den gemeinsamen Tanz zu erkennen – und Emotionen sind die Musik.
  • Spiegeln und validieren Sie das emotionale Erleben auf empathische Weise. »Ich verstehe, dass es Ihnen Angst macht, wenn Sie das Gefühl haben, er denkt vielleicht schon an Trennung …« Sie schaffen damit einen sicheren Rahmen für inneren Wachstum.
  • Spüren Sie Angst, gar Panik in einem oder beiden Partnern? Helfen Sie bei der Emotionsregulation, indem Sie RISSSC anwenden. Bleiben Sie emotional präsent und sprechen Sie warm, moduliert und langsam. Machen Sie sich nahbar und signalisieren Sie verbal und nonverbal »Ich bin da für Sie. Sie sind nicht allein«.
  • Lassen Sie alle gutgemeinten Ratschläge und Kommunikationsregeln beiseite – diese doktern nur an Symptomen herum und können die emotionale Dynamik sogar verschlimmern, weil Partner in Scham geraten, wenn sie es nicht schaffen, die Regeln einzuhalten.
  • Verschenken Sie ein gutes Buch zum Thema Bindung und Emotionen oder empfehlen Sie zum Stöbern die Plattform www.Lovie.de, die »School of Love«.
  • Ein Paar ist ernsthaft in Schwierigkeiten, aber Sie selbst arbeiten nicht als Paartherapeutin? Legen Sie ihm eine bindungsbasierte Paartherapie ans Herz.

www.eft-center-hannover.de – EFT-Ausbildung in Hannover

www.eftcd.de – Homepage des deutschsprachigen Netzwerks der Emotionsfokussierten Therapie (EFT) mit Therapeuten- und Ausbildungsverzeichnis u. a.

www.lovie.de – »EFT-School of Love«: Alles zu Liebe, Bindung & Emotionen für die interessierte Öffentlichkeit. Ein gemeinnütziges Projekt der EFTCD e.V.

www.iceeft.com – Homepage der Internationalen EFT-Mutterorganisation, Ottawa, Kanada.

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