EFIT und Scham: Die EFT‑Arbeit mit Jenny

veröffentlicht im ICEEFT-Newsletter Juli 2023, Original in Englisch

Scham kann uns das Gefühl geben, isoliert zu sein, nicht dazuzugehören und der Liebe und Fürsorge nicht würdig zu sein. Scham kann uns dazu bringen, uns zu verstecken, aber wenn wir diese verletzlichen Gefühle vor anderen oder vor uns selbst verbergen, dann werden wir von der Möglichkeit der Koregulierung, Akzeptanz und emotionalen Unterstützung abgeschnitten. Das kann zu einem Teufelskreis werden. Eine EFT-Therapeut*in weiß, dass das Teilen von Scham ein Gegenmittel sein kann, da unsere Biologie Bindung ist!

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Der folgende Artikel enthält Beispiele für Phase 1 und 2 der EFT und fokussiert sich auf zwei Schlüsselmomente bei der Arbeit mit Scham in EFIT. Das Erste ist eine Begegnung der Phase 1 mit Jennys innerer Kritikerin, einem sehr verbreiteten Teil des Selbst, der die tieferen, beschämten und verletzlichen Teile verbirgt, um die Kontrolle zu behalten. Diese innere Kritikerin ist oft eine Triebfeder für Perfektionismus und kann das eigentliche Selbst ständig abwerten. Das Zweite ist eine Begegnung mit Jennys jüngerem Selbst in Phase 2, die Gefühle des Falsch- und Isoliertseins zeigt, und in der die Scham beginnt, sich aufzulösen.

Was wir in Phase 1 tun

In Phase 1 entdeckt die EFT-Therapeut*in Schutzstrategien und Emotionsregulationsmuster im Kontext der Bindung und relevanter biografischer Stationen und Ereignisse und stärkt und verankert die Ressourcen der Klient*in für diesen Prozess. Innerhalb des Toleranzfensters werden weichere Emotionen und der verletzte Selbstwert berührt und im Bindungskontext gerahmt. Reflektieren, Validieren und Normalisieren bieten Unterstützung und Kontext, wo es nötig ist. Nicht-Pathologisieren ist der Schlüssel, wenn es um Scham geht. Die Spiegelung des Klienten kann ungewollt mehr Scham auslösen. Rebecca Jorgensen empfiehlt, „gemeinsam in den Spiegel zu schauen“, anstatt nur einen Spiegel vorzuhalten, dass wir also unser Selbst in den Prozess einbringen.Wir fügen einer einfachen Spiegelung Beziehung hinzu: „Es macht für mich so viel Sinn, was du erlebst. Ich würde mich genauso fühlen, wenn [Auslöser]: einfach im Boden versinken wollen, damit dich niemand an diesem verletzlichen Ort sehen kann. Wenn niemand da ist, der uns beschützt, wollen wir uns alle verstecken. Ich bin dankbar, dass du das mit mir teilst. Ich bin hier bei dir.“

Aus Bindungsperspektive macht es Sinn! Scham kann ein kontrollierender Teil einer unsicheren Bindungsstrategie sein, der die Therapeut*in darauf hinweist, wie wesentlich es ist, einen Felt Sense von Sicherheit in den Sitzungen aufzubauen und sich als Übergangsbindungsfigur als vertrauenswürdig zu erweisen.

In allen Prozessphasen sind EFT-Therapeut*innen besonders wachsam gegenüber Brüchen in der Therapeut-Klienten-Beziehung und gehen, wenn nötig, aktiv in den Reparaturmodus über, um zu zeigen, dass sie in der Lage sind, ihre eigene Scham zu regulieren und Beziehungsbrüche emotional repariert werden können. Korrigierende Erfahrungen mit der Therapeut*in sind bedeutsame Puzzlestücke im Heilungsprozess chronischer Scham.

Christine Weiß im Gespräch mit Tanja Klein

FALLBEISPIEL – „Jenny“

Jenny ist eine 34-jährige Grundschullehrerin, die auf Empfehlung ihrer Ärztin und mit einer Vielzahl von ängstlich-depressiven Symptomen in die Einzeltherapie kommt. Sie beschreibt ihre Kindheit als „furchtbar einsam“, sie fühlte sich „falsch“ und „unsichtbar“. An ihren viel arbeitenden Vater kann sie sich als kleines Kind kaum erinnern, und ihre Mutter erlebte sie als ständig gestresst und ängstlich wegen „allem“, oft kritisch und aggressiv gegenüber Jenny, während sie sich bemühte, nach außen hin ein perfektes Zuhause und eine perfekte Familie zu zeigen. Jenny versuchte es ihrer Mutter recht zu machen und deren Wutausbrüche zu vermeiden. Wenn ihre Mutter sie ausschimpfte, verstärkte das ihre Angst und Scham. Jenny erzählt in der dritten Sitzung: „Ich wusste nicht, warum meine Mutter immer so wütend auf mich war. Offenbar stimmte etwas nicht mit mir, da sie mich nicht wirklich lieb gehabt hat. Ich habe immer versucht, alles richtig zu machen, so wie sie es wollte, damit sie nett und zärtlich zu mir ist. Das war aber nur selten.“ Eine weitere eingebrannte Erinnerung ist mit den wiederholten kritischen Bemerkungen ihrer Mutter über ihr Aussehen in verschiedenen Lebensabschnitten verbunden. Jenny sagte: „Ich glaube, ich war als junges Mädchen zu dick, und niemand mochte mich deshalb“. Auf meine Frage, ob sie zärtlichen oder tröstlichen Körperkontakt erlebt habe, antwortete sie: „Ich erinnere mich nur daran, dass ich an meinem Geburtstag einen Kuss und ein Streicheln auf die Wange bekommen habe. Normalerweise gab es eine gewisse körperliche Distanz. Ich erinnere mich an meine Oma, die mit mir kuschelte, wenn ich sie in den Ferien besuchte.“ Diese ausgleichende Bindungserfahrung mit ihrer Großmutter wird zu einer wichtigen wiederkehrenden Ressource während des EFIT-Prozesses.

Jennys inneres Arbeitsmodell von sich selbst ist geprägt von unerlöster Scham, die mit der Angst verbunden ist, falsch zu sein und nicht liebenswert. „Ich weiß, dass mit mir etwas nicht stimmt. Niemand möchte mir nahe sein.“ Durch unzählige Momente, in denen sie von ihren Eltern zurückgewiesen und vernachlässigt wurde, verinnerlichte sie insbesondere die kritische Stimme ihrer Mutter und machte sie zu ihrer eigenen. Das vermittelte ihr eine gewisse Illusion von Kontrolle – dass sie besser werden könnte, wenn sie sich nur genug anstrengte. Indem sie einen Perfektionismus entwickelte, um es allen recht zu machen, wie sie es bei ihrer Mutter tat, vermied sie die schmerzhaften Gefühle, unerwünscht zu sein und abgelehnt zu werden. „Ich setzte meine perfekte Maske auf“, sagt sie. Jenny verbarg ihr wahres Selbst und bemühte sich, keine Fehler zu machen, äußerte sich selten frei und passte sich den Bedürfnissen anderer an, während sie sich gleichzeitig innerlich immer einsamer und leerer fühlte. Später, von ihrer Teenagerzeit bis zum frühen Erwachsenenalter, berichtet Jenny: „Ich war irgendwie schöner geworden und hatte langes Haar – viele Jungen versuchten, mit mir auszugehen, und die Mädchen wollten daher alle mit mir befreundet sein. Die Einsamkeit hörte für eine Weile auf. Aber innerlich habe ich wohl einfach den ganzen alten Schmerz weggesperrt.“ Nach einer gescheiterten Beziehung, die nur kurze Zeit andauerte, kam Jenny zur Therapie. Ich konnte ihren Schmerz in ihren Worten spüren: „Ich sollte all diese Dinge nicht fühlen. Ich sollte mich normal fühlen, wie andere auch.“ Diese sekundäre Scham, die manchmal ihren Körper überflutete, ließ sie noch mehr leiden.

Jenny in Phase 1: Begegnung mit der inneren Kritikerin

Jenny beschreibt einen Konflikt mit der Schuldirektorin, ihrer Chefin.

Jenny: Es ist furchtbar! Ich wusste, dass meine Chefin ausflippen würde, wenn sie mitbekäme, dass es dieses Handgemenge in meiner Klasse gegeben hat. Und schon lange vor dem Treffen mit ihr bin ich komplett im Boden versunken. Ich habe es einfach total verbockt, und das schon wieder. Ich bin einfach nicht in der Lage…

Therapeutin: (Beugt sich vor.) Oh, lassen Sie uns hier einen Moment innehalten… (Kurze Pause.) Ja, das war überwältigend für Sie. Ich kann es spüren. Erst die Rauferei in der Klasse, dann der Gedanke an Ihre strenge Chefin, die Sie vielleicht wieder kritisieren könnte… und dann wollen Sie sich nur noch schützen und im Boden versinken? (Jenny nickt.) Und Ihr innerer Kritiker [Worte der Klientin aus einer früheren Sitzung] übernimmt die Führung und fängt an, Sie abzuwerten, sagt all diese kritischen Dinge zu Ihnen…

Jenny: Ja, genau, es ist ein Gefängnis! Ich versuche und versuche, mein Bestes zu geben, aber ich mache immer wieder alles falsch. Es ist einfach peinlich. (Senkt ihren Blick.)

Therapeutin: Ja, Ihr innerer Kritiker übernimmt die Kontrolle und sagt Ihnen, dass Sie sich mehr anstrengen sollen. Wow, Jenny, das muss so viel Druck sein, so viel Schmerz.

Jenny: Ich mache mir dann selbst Vorwürfe. Und nichts funktioniert. Ich gehe nach Hause und schalte all diese Gefühle aus und lenke mich ab, gehe vielleicht einkaufen oder treffe mich mit einer Freundin, rede über oberflächliche Dinge. Aber in mir brodelt es. „Du musst besser sein!“

Therapeutin: Ihr innerer Kritiker sagt Ihnen das und setzt Sie so sehr unter Druck, das ist schmerzhaft. Und Ihr innerer Kritiker versucht, Sie davor zu schützen, das alles noch einmal zu fühlen? Wovor versucht er Sie zu schützen, Jenny?

Jenny: Dass es noch mehr wehtun wird. Dass ich meinen Job verlieren werde. Dass ich wieder inakzeptabel und allein sein werde, und dass jeder das sehen wird.

Therapeutin: (RISSSSC.) Oh ja. Er [der innere Selbstanteil] will Sie vor all diesem Schmerz schützen, davor, abgelehnt und allein zu sein und so gesehen zu werden. (Jenny beginnt zu weinen.)

Jenny: Es ist traurig, das zu erkennen… Es hängt alles an mir…

Therapeutin: (RISSSSC, lehnt sich zu ihr.) Ja, das ist der Schmerz. Sie sind so viel allein gewesen. Und dann mussten Sie lernen, sich selbst zu schützen, wie jedes kleine Kind, das unter Zurückweisung gelitten hat. Der innere Kritiker versucht das jeden Tag zu tun, versucht Sie zu schützen.

Jenny: (Immer noch weinend.) Seltsam, dass ich mich immer selbst kritisiere, und irgendwie scheint es einen tieferen Grund zu haben. Das macht alles so viel Kämpfen und Druck…

Therapeutin: (Geht auf die lebendige Emotion ein, die sich in ihren Tränen zeigt, und lädt sie zu Move 3 ein.) Jenny, wenn Ihre Tränen jetzt zu Ihrem inneren Kritiker sprechen könnten, was würden sie sagen?

In diesem Auszug bauen Jennys Tränen den ersten Teil einer Brücke zu mehr Selbstmitgefühl. Sie helfen ihr, zu ihrem inneren Kritiker zu sagen: „Der Druck ist zu hoch. Ich sehne mich nach einem anderen Weg, als immer perfekt sein zu müssen. Ich fühle mich so allein und traurig.“ Ihr innerer Kritiker, dem sie hier zum ersten Mal explizit begegnet, ist zugänglicher, als sie es sich vorab vorgestellt hat. „Ich mag es nicht, so viel Druck auf dich auszuüben. Ich bin sehr müde. Aber ich sehe keinen anderen Weg. Ich will nur helfen.“ Hier bieten EFT-Therapeut*innen den Bindungskontext an, in diesem Fall, indem sie Jennys inneren Dialog hin zu mehr Selbstmitgefühl ermutigen und einen ersten Schimmer einer neuen gefühlten Möglichkeit entdecken, eine Wahl zu haben.

In Phase 1 findet Jenny durch Begegnungen mit ihrem jüngeren Selbst, der Therapeutin, ihren Großeltern und ihrer Mutter zu mehr Selbstakzeptanz und neuen Handlungsimpulsen. Jenny lässt mehr von ihren verletzlichen Gefühlen zu, und im Gegenzug beginnt sie, das innere Muster vorsichtig zu hinterfragen: „Vielleicht ist das Blödsinn, dass alles mit mir falsch ist. Vielleicht ist es nur die Stimme meiner Mutter…“ In dieser Zeit entwickelt Jenny eine Freundschaft mit einer neuen Kollegin und hat zum ersten Mal das Gefühl, dass sie mit jemandem wirklich über das reden kann, was ihr wichtig ist. Sie hat immer noch Momente, in denen sie von Schamgefühlen überwältigt wird, aber sie sagt: „Dann versuche ich mich an unsere Gespräche zu erinnern und daran, was Sie jetzt sagen würden. Und dann spüre ich manchmal dieses kleine Licht des Mitgefühls für mich selbst. „Jenny ist jetzt bereit für Phase 2.

Was wir in Phase 2 tun

In Phase 2 hilft die EFT-Therapeut*in, dass chronische Scham und die dazugehörigen bindungsbezogene Ängste durch korrigierende emotionale Erfahrungen integriert und erlöst werden. Das innere emotionale Erleben vertieft sich, unerfüllte Bindungsbedürfnisse werden in Kontakt gebracht und neue emotionale Wege und Resilienz entstehen. In Phase 2 beginnt Jenny, für ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte durch imaginäre Begegnungen mit ihrer Mutter einzutreten. Diese Begegnungen sind der Schlüssel zur Veränderung ihres Selbstbildes als sanfter, offener und liebenswerter. Die junge Jenny war gezwungen, zu verinnerlichen, dass sie zurückgewiesen wurde aufgrund ihrer selbst. Dabei war sie einfach nur ein Kind, das Aufmerksamkeit, Schutz und Bindung gebraucht hat. So baute sich in ihr eine Barriere aus Scham auf, um ihren verletzlichen Kern vor Bindungsverlust zu schützen.

Jenny in Phase 2: Begegnung mit dem verletzten Selbst

Veränderung des inneren Arbeitsmodells

Jenny erzählt von einer Schlüsselsituation, als sie etwa 8 Jahre alt war und ihre Mutter aggressiv wurde und sie bedrohte, woraufhin Jenny in Panik zitternd in den Garten flüchtete. Sie erinnert sich, dass sie dachte: „Das war’s. Sie wird mich nie wieder sehen wollen. Ich bin einfach ein schlechtes Kind. Einfach nicht zum liebhaben.“

Jenny: Ich bin im Boden versunken. Oh, wie wertlos, wie schlecht ich mich fühlte. Einfach verzweifelt.

Therapeutin: (Neigt sich zu ihr.) Das ist schrecklich. Verheerend. Die kleine Jenny, so unschuldig… und dann all diese Wut und Aggression der Mutter, sogar Drohungen. Und die Kleine sinkt vor Scham und Angst in den Boden und hat das alles auf sich genommen. So viel Panik.

Jenny: Mama wird wieder stundenlang wütend sein, oder für immer. (Fängt an zu weinen.) Sie schickt mich einfach weg. Ich bin ganz allein…

Therapeutin: Alleine… für immer alleine. Die Panik sagt: „Das war’s. Ich bin hier ganz allein. Und alles liegt an mir.“ (Jenny senkt den Blick.) Was spüren Sie in diesem Moment in Ihrem Körper?

Jenny: Ich fühle mich so krank in meinem Magen. Meine Knie sind schwach. Ich weiß nicht…

Therapeutin: (Bringt sich selbst als Ressource ein.) Jenny, können Sie mich ansehen? Wir gehen gemeinsam an diesen Ort, okay? Sie sind nicht allein. Sie sind hier, die erwachsene Jenny, und ich bin auch hier. (Jenny blickt auf, seufzt, nickt.) Wo ist die kleine Jenny jetzt gerade?

Jenny: Sie versteckt sich hinter dem Gartenhaus. Sie fühlt sich so schlecht! Sie muss es wieder gut machen. Um jeden Preis, sonst…

Therapeutin: Sonst…?

Jenny: Sonst wird Mama nie wieder mit ihr reden. Sie wird sie nie wieder in ihrer Nähe haben wollen. Sie nie wieder liebhaben. Sie ist einfach ein Kind, das man nicht liebhaben kann.

Therapeutin: Die kleine Jenny spürt diese überwältigende Angst, dass Mama sie nicht liebhaben kann… und all diese Gedanken kommen auf, dass es an ihr selbst liegt, dass sie nicht in OK ist. Das ist zu viel für die kleine Jenny. Sie spüren es im Magen, in den Knien. (Jenny nickt.) Und die erwachsene Jenny, sind Sie da? (Bereitet Move 3 vor.)

Jenny: Ich weiß nicht… Ich habe Angst, zu ihr zu gehen. Ich will das alles nicht mehr fühlen. Ich will einfach nur, dass es aufhört. (Sie senkt den Blick, ihre Körperhaltung gibt nach.)

Therapeutin: (Beugt sich zu ihr hin, warme Stimme.) Jenny, können Sie mich ansehen? (Blockiert den Ausgang in die Scham.) Das ist das alte Zeug, nicht wahr? (Vertraut auf die in Phase 1 erreichte Stabilisierung.)

Jenny: Ja… (Holt tief Luft, ein Zeichen dafür, dass sie in der Gegenwart ist, und schaut auf.)

Therapeutin: Wir gehen zusammen, okay? (Jenny nickt.) Wie stellen Sie den Kontakt her, damit es für die kleine Jenny, so allein und verängstigt hinter dem Gartenhaus versteckt, sicher ist?

Jenny: (Schließt die Augen und geht zurück in die innere Szene.) Ich setze mich ein paar Meter entfernt hin, vielleicht sage ich hallo.

Therapeutin: Sehr gut. Nimmt sie Sie wahr?

Jenny: Ja. Aber sie ist distanziert, sie ist misstrauisch mit mir.

Therapeutin: Könnten Sie ihr sagen: „Hey kleine Jenny, es ist okay, dass du vorsichtig bist. Ich verstehe das. Du hast allen Grund dazu.“

Jenny: (Hält einen Moment inne.) Ehrlich gesagt, ein Teil von mir möchte einfach weglaufen, das alles hinter sich lassen, einfach vergessen.

Therapeutin: (Mit warmer Stimme, näher kommend, sie ansehend.) Ja, ich verstehe. Das ist es, was Sie früher gerettet hat. Dem Schmerz, der Scham, von Mama zurückgewiesen zu werden, zu entkommen? (Jenny holt tief Luft.) Was bemerken Sie jetzt gerade?

Jenny: (Fängt an zu weinen.) „Es tut mir auch so leid. (Schluchzend.) Es ist so ungerecht, dass du dort ganz allein bist. Es war nicht richtig von Mama. Ich… Es tut mir leid. Und das Schlimmste ist (stockt)…“

Therapeutin: Das Schlimmste ist…?

Jenny: „Ich habe dich ja selbst allein gelassen, all die Jahre. Ich konnte einfach nicht…“

Therapeutin: (Stellvertreterstimme.) „Ich konnte einfach nicht. Es war zu viel. Ich brauchte Zeit, um wieder zu mir zu finden. Aber jetzt bin ich hier bei dir.“ Hört die kleine Jenny Sie? Was bemerken Sie in ihrem kleinen Körper?

Jenny: Ich glaube, sie hat mich gehört. Sie hat sich ein wenig umgedreht, immer noch zurückhaltend. Immer noch misstrauisch.

Therapeutin: Wenn ihr Misstrauen Worte hätte, was sagen sie zu der erwachsenen Jenny?

Jenny: „Ist das wahr, oder ist es nur eine neue Lüge? Du wirst mich doch eh wieder verlassen, oder?“

Therapeutin: Wie gut, dass sie das ausdrückt. Und Sie, Jenny, sie sind die Beste, um ihren Schmerz zu verstehen, nicht wahr? Antworten Sie ihr gern…

Jenny: (weint.) „Ja… Es tut mir leid… Ich will nicht, dass du dich so allein fühlst.“

Therapeutin: „Ich will nicht, dass du dich so allein… so wertlos… so falsch fühlst (Worte der Klientin)?“

Jenny: Ja. (Atmet tief durch.) „Ich glaube nicht, dass du falsch bist. Du bist liebenswert. Es war wegen Mama. Und ich bin vor all dem weggelaufen…“

Therapeutin: (Fokussiert auf den aktiven Teil; Stellvertreterstimme.) „Du bist nicht falsch. Du bist liebenswert.“ Wie ist das für die kleine Jenny zu hören? Kann sie Ihre Worte spüren?

Jenny: (Nach einem kurzen Moment.) Es ist seltsam, ich glaube, es erreicht sie irgendwo. Wie an einem inneren Ort, wo es ein bisschen Licht und Hoffnung gibt.

Therapeutin: Und sie – Sie – fühlen das einfach in Ihrem Körper, diesen Ort… (Verlangsamt.)

Jenny: Es gibt so viel Schmerz und Scham in ihr – mir – aber an diesem inneren Ort ist es hell.

Therapeutin: Wunderschön! Spüren Sie das in Ihrem Körper. (Verlangsamt, Jennys Gesichtsmuskeln entspannen sich ein wenig.) Und wenn die kleine Jenny Sie ansieht? Kann sie ihren Blick heben? (Jenny nickt.) Was möchte die kleine Jenny Ihnen jetzt mitteilen? Geben Sie ihr einfach Raum… (Jenny bricht in Tränen aus, und wir nehmen uns einen Moment Zeit, um mit der Trauer zu sein.)

Jenny: Da war so viel Schmerz, so viel Druck… so viel Last auf ihren kleinen Schultern.

Therapeutin: Lassen Sie sie wissen, dass Sie jetzt bei ihr sein können. Sie können diese Last jetzt tragen, Jenny, Sie sind sehr mutig.

Jenny: Ich will diese Last tragen. Ich brauche aber auch noch etwas Hilfe. (Sieht zur Therapeutin und ein Fragezeichen erscheint auf ihrem Gesicht; die Therapeutin antwortet mit einem freundlichen Nicken.)

Wir setzen die Begegnung fort, und die kleine Jenny spürt etwas Nachlassen von Anspannung und erhält die einfühlsame, kraftvolle Antwort der Erwachsenen. Das Gefühl, dass „etwas mit mir nicht stimmt“, ist zwar noch Teil ihres inneren Erlebens, aber sie beginnt, ihre inneren Zweifel zu hinterfragen und fühlt sich darin bestärkt. Ihr Atmen ist etwas tiefer und leichter geworden.

In dieser Sitzung in Phase 2 wuchs ein Stück inneres Vertrauen, und Jenny ist in der Lage, ihr jüngeres Selbst zu umarmen. In der Sitzung verkörpert sie es, indem sie einen Moment ihre Arme um sich legt. Sie ist in der Lage, mit ihren Emotionen da zu bleiben, wodurch sie einen Teil ihrer auf Scham basierenden Übelkeit loslassen kann. Indem die kleine Jenny in ihrer Verzweiflung gesehen, akzeptiert und gehalten wird, verändert sich in ihr etwas. Die erwachsene Jenny kann bei ihrer Kern-Verletzlichkeit bleiben, ohne überwältigt zu werden. Jennys auf Scham basierendes Selbstmodell beginnt zu schmelzen, und es entsteht eine neue Sicherheit in der Beziehung zu sich selbst. Nach einigen weiteren Sitzungen der Phase 2 und Phase 3 spürt Jenny eine neue Art von Selbstvertrauen und, wie sie es ausdrückt, „festen Boden unter den Füßen“.

EFT ist ein wunderbares Modell, um Menschen dabei zu helfen, die tiefen Wunden chronischer Scham zu heilen, die durch fehlende, unsichere und gefährliche Bindungserfahrungen entstanden sind. Der EFT-Tango ist unser Werkzeug, um die Blockaden zu Verbundenheit und Mitgefühl zu berühren, neuzurahmen, zu halten und zum Schmelzen zu bringen.

Bei der Arbeit mit chronischer Scham sind EFT-Therapeut*innen gefordert, die starken Emotionen gemeinsam mit ihren Klient*innen zu erfahren und dabei die Toleranzfenster zu respektieren. Wir EFT-Therapeut*innen sind der menschlichen Verbindung verpflichtet. Wir alle wachsen in unsere eigene emotionale Vollständigkeit hinein, indem wir die Orte in uns selbst erfahren und integrieren, an denen wir Scham erleben – in der Vergangenheit oder in der Gegenwart. Mit der Arbeit an uns selbst schaffen wir eine sichere Basis für unsere Klient*innen – und unsere EFT-Arbeit wird noch erfüllender.

Christine Weiß,
ICEEFT-zertifizierte EFT-Trainerin, EFT-Supervisorin und EFT-Therapeutin

www.eft-center-hannover.de

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