NARM oder EFT: wann ist welcher Ansatz indiziert?

Beide Modelle können effektiv sein, wenn die Klient*in Unterstützung benötigt, um ihre emotionalen Muster zu erkennen und zu transformieren. Beide Ansätze bieten einen sicheren Raum für Klient*innen, doch die Art der therapeutischen Beziehung und die zugrunde liegenden Annahmen über Heilung und emotionale Prozesse unterscheiden sich. Die Wahl des Ansatzes hängt stark von den primären Symptomen, der Beziehungshistorie und den Zielen der Klient*in ab.

1. Wann ist NARM indiziert?

NARM ist besonders hilfreich für Klient*innen, die mit frühkindlichem Entwicklungstrauma kämpfen, das auf komplexe Bindungsverletzungen und dysfunktionale Überlebensstrategien zurückzuführen ist. Es richtet sich an Klient*innen, die Schwierigkeiten haben, ein verkörpertes Selbstbewusstsein zu entwickeln und die oft in chronischen, automatisierten Überlebensmustern feststecken. NARM kann besonders nützlich sein, wenn folgende Marker zutreffen:

Marker für NARM:

  • Fehlende Verkörperung: Die Klient*in hat Schwierigkeiten, Zugang zu ihren Körperempfindungen zu finden und neigt zu Dissoziation oder hochgradiger emotionaler Aktivierung. NARM fokussiert stark auf die Wiederherstellung einer bewussten Beziehung zum Körper.
  • Überlebensstrategien im Vordergrund: Wenn die Klient*in stark auf scham- und stolzbasierte Überlebensstrategien angewiesen ist und diese als zentrale Identifikationen erlebt, kann NARM helfen, diese adaptiven Muster zu dekonstruieren und den Weg zu einem gesunden Erwachsenenbewusstsein zu ebnen.
  • Schwierigkeiten in der Selbstregulation: Die Klient*in zeigt Probleme in der Selbstregulation und neigt zu starken, dysfunktionalen emotionalen Reaktionen, die häufig auf frühe Erfahrungen von Vernachlässigung oder Überwältigung zurückzuführen sind. NARM legt hier besonderen Fokus auf die Stärkung der Agency und das Erforschen der inneren Erfahrung.
  • Beziehung als Erfahrungsraum: In NARM wird die therapeutische Beziehung als Erfahrungsraum genutzt, aber die Therapeut*in bleibt bewusst in einer Haltung von Nicht-Wissen und Neugier, ohne direkt die Rolle einer „sicheren Basis“ zu übernehmen. Die Beziehung dient weniger als Bindungsersatz, sondern mehr als Unterstützung zur Selbstentdeckung und -aktivierung.

2. Wann ist EFT indiziert?

Die bindungsbasierte Emotionsfokussierte Therapie (EFT) nach Sue Johnson ist besonders effektiv für Klient*innen, die mit Bindungsverletzungen und Bindungsängsten im Kontext von zwischenmenschlichen Beziehungen kämpfen. EFT ist ideal für Klient*innen, die Unterstützung benötigen, um ihre emotionalen Bedürfnisse besser zu erkennen und auszudrücken, insbesondere in Partnerschaften oder bei der Arbeit an unverarbeiteten Bindungstraumata.

Marker für EFT:

  • Bindungsfokus und Beziehungsprobleme: Die Klient*in zeigt Probleme in aktuellen Beziehungen, oft in Form von Bindungsängsten, Vermeidungsverhalten oder übermäßiger Abhängigkeit. Sie sucht Unterstützung dabei, ihre Bindungsmuster zu verstehen und zu verändern.
  • Tiefe emotionale Verletzlichkeit: Wenn die Klient*in Schwierigkeiten hat, verletzliche Emotionen wie Trauer, Angst oder Sehnsucht zuzulassen und auszudrücken, kann EFT helfen, diese Emotionen im sicheren Rahmen der therapeutischen Beziehung zu erkunden.
  • Bedarf an einer sicheren Basis: Die Klient*in benötigt eine starke, koregulierende therapeutische Beziehung, die als sicherer Hafen fungiert. Die Therapeut*in wird zur „sicheren Basis“, die der Klient*in hilft, sich emotional zu öffnen und neue, korrigierende Bindungserfahrungen zu machen.
  • Wunsch nach Beziehungsreparatur: Die Klient*in zeigt einen deutlichen Wunsch, konkrete Beziehungsthemen zu bearbeiten, sei es in der Paartherapie oder in der Verarbeitung vergangener Bindungsverletzungen mit wichtigen Bezugspersonen.

Zusammenfassung: NARM oder EFT?

  • NARM ist die bessere Wahl, wenn die Klient*in stark von Selbstregulationsproblemen, chronischen Überlebensstrategien und fehlender Verkörperung geprägt ist. Der Fokus liegt hier weniger auf der Bindungsbeziehung zur Therapeut*in und mehr auf der Stärkung der inneren Ressourcen und der Erforschung der Selbstwirksamkeit.
  • EFT ist indiziert, wenn die Klient*in vorwiegend Unterstützung bei der Regulierung von Bindungsängsten und im Aufbau von emotionalen Verbindungen sucht. Die Beziehung zur Therapeut*in spielt hier eine zentrale Rolle als sichere Basis, die tiefe emotionale Heilung und Bindungsreparatur ermöglicht.

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