Therapeut*innen, die sowohl in der Emotionsfokussierten Therapie (EFT) nach Sue Johnson als auch im NeuroAffective Relational Model (NARM) entwickelt von Laurence Heller ausgebildet sind, verfügen über ein reichhaltiges Repertoire an therapeutischen Interventionen. Beide bindungsbasierte, erfahrungsorientierte Ansätze bieten komplementäre, aber unterschiedliche Wege zur Heilung von Trauma und zur Vertiefung der emotionalen Verbindung. Hier sind einige zentrale Empfehlungen, wie du diese Ansätze effektiv integrieren kannst:
1. Die primären Bedürfnisse der Klient*in einschätzen
Bestimme das Hauptproblem der Klient*in: Beginne mit einer Einschätzung, ob die primären Herausforderungen der Klient*in eher mit Selbstregulation und Entwicklungstrauma (NARM) oder mit Bindungsverletzungen und Beziehungsproblemen (EFT) zusammenhängen.
- Wenn die Klient*in mit frühem Entwicklungstrauma, chronischer Scham oder Schwierigkeiten bei der Verkörperung von Sicherheit kämpft, ist ein NARM-orientierter Ansatz anfangs oft hilfreicher.
- Wenn die Klient*in vor allem unter Beziehungsproblemen leidet, Schwierigkeiten hat, sichere Bindungen aufzubauen, oder unverarbeitete Trauer in Bezug auf Beziehungserfahrungen zeigt, kann ein EFT-Rahmen effektiver sein.
2. NARM zuerst zur Stabilisierung und Verkörperung einsetzen
Bei Klient*innen, die erhebliche Dysregulation, Dissoziation oder eine schwache Verbindung zu ihren Körpersensationen aufweisen, kann der Beginn mit einem NARM-Ansatz helfen, das Nervensystem zu stabilisieren. NARM fokussiert auf achtsame Selbstbefragung, Selbstregulation und die Stärkung der Selbstwirksamkeit (Agency), was eine solide Basis für spätere bindungsorientierte Arbeit schafft.
Indem du der Klient*in hilfst, sich stärker mit ihrem Körper zu verbinden und ihre Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung zu verbessern, bereitest du sie auf die tiefere Bindungsarbeit in EFT vor.
3. Übergang zu EFT für Bindungsreparatur und Beziehungsdynamik
Sobald die Klient*in eine bessere Selbstregulation und Verkörperung entwickelt hat (durch NARM), kannst du bindungsorientierte Interventionen aus EFT einführen.
- Der Fokus von EFT liegt auf dem Erkennen von negativen Interaktionsmustern, dem Erleben von Kernemotionen und der Förderung sicherer emotionaler Bindungen.
- Die therapeutische Beziehung in EFT bietet eine korrigierende emotionale Erfahrung, bei der die Therapeut*in als sichere Basis fungiert und der Klient*in hilft, Bindungsängste zu erkunden und zu transformieren.
4. Zwischen innerer Erfahrung (NARM) und Beziehungserfahrung (EFT) navigieren
Sei flexibel und passe dich den Bedürfnissen der Klient*in an, indem du zwischen dem NARM-Fokus (Erforschung von Selbstregulation, Verkörperung und Überlebensstrategien) und dem EFT-Fokus (Erkundung von Bindungsbedürfnissen, emotionalem Ausdruck und Interaktionsmustern) wechselst.
5. Übertragung und Gegenübertragung achtsam reflektieren
In beiden Ansätzen spielt die therapeutische Beziehung eine zentrale Rolle, aber die Natur dieser Beziehung unterscheidet sich:
- In NARM nimmt die Therapeut*in eine nicht-direktive, neugierige Haltung ein, die die Selbstbefragung fördert und die Selbstwirksamkeit der Klient*in stärkt, ohne die Rolle einer „sicheren Basis“ zu übernehmen.
- In EFT fungiert die Therapeut*in als sichere Bindungsperson, die emotional einstimmt und als „sicherer Hafen“ dient.
Wenn du beide Ansätze praktizierst, achte auf mögliche Übertragungsdynamiken. Klient*innen könnten unterschiedliche Erwartungen an die Therapeut*in haben, je nachdem, ob sie sich in einer NARM- oder einer EFT-orientierten Sitzung befinden. Kläre deine therapeutische Haltung im Moment, um Missverständnisse zu vermeiden und den aktuellen Bedürfnissen der Klient*in gerecht zu werden.
6. Beide Ansätze für einen ganzheitlichen Heilungsweg integrieren
Langfristig profitieren viele Klient*innen mit Entwickelungstrauma von einem integrierten Ansatz, bei dem sowohl der Fokus auf Selbstregulation in NARM als auch der Bindungsfokus in EFT miteinander verwoben werden. Ein Beispiel: Du kannst der Klient*in helfen, ihre Bindungsbedürfnisse im Kontext aktueller Beziehungen (EFT) zu erkunden, während du gleichzeitig ihre inneren Überlebensstrategien und chronische Scham (NARM) adressierst.
7. Überlege, mit Kolleg*innen zusammenzuarbeiten
Wenn du feststellst, dass die Klient*in sowohl von NARM- als auch von EFT-Interventionen profitieren könnte, ist es oft hilfreich, mit Kolleg*innen zusammenzuarbeiten, die auf einen der beiden Ansätze spezialisiert sind. Durch eine Zusammenarbeit kannst du sicherstellen, dass die Klient*in fokussierte Unterstützung erhält, je nachdem, ob der Schwerpunkt auf Selbstregulation und innerer Stabilisierung (NARM) oder auf Bindungsreparatur und emotionaler Verbindung (EFT) liegt. Ein gemeinsamer Prozess kann die Effektivität der Therapie erhöhen und der Klient*in einen ganzheitlicheren Heilungsweg ermöglichen. Halte dabei regelmäßige Konsultationen und Austausch mit den beteiligten Therapeut*innen, um sicherzustellen, dass die therapeutische Arbeit gut koordiniert und aufeinander abgestimmt ist.
8. Eigene Reflexion und Supervision fortsetzen
Die Integration von NARM und EFT erfordert ein tiefes Verständnis der jeweiligen Modelle und ein hohes Maß an Selbstreflexion als Therapeut*in. Regelmäßige Supervision oder Konsultationen mit Expert*innen beider Ansätze können dir helfen, deine integrative Praxis weiterzuentwickeln. Deine Fähigkeit, sowohl die Rolle einer sicheren Basis (EFT) als auch die einer neugierigen Begleitung (NARM) einzunehmen, kann den therapeutischen Prozess erheblich bereichern, erfordert jedoch kontinuierliche Reflexion.
Zusammenfassung
Für Therapeut*innen, die sowohl NARM als auch EFT praktizieren, liegt der Schlüssel darin, sich an den aktuellen Bedürfnissen der Klient*in zu orientieren und die Stärken beider Ansätze flexibel zu integrieren. Durch die Navigation zwischen diesen beiden komplementären Modellen kannst du einen ganzheitlichen Heilungsweg anbieten, der sowohl die innere Dysregulation des Entwicklungstraumas als auch die äußeren Bindungsstrategien der Klient*in anspricht. Nutze NARM für innere Stabilisierung, Verkörperung und die Erforschung von Überlebensstrategien, und EFT für emotionalen Ausdruck und die Klärung und Heilung von Beziehungswunden.
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