Sieben emotionale Systeme, fünf Kern­ressourcen und sichere Bindung

Der Verlust einer Bindungsbeziehung steht im Zentrum aller Ängste.

Laurence Heller

Welche Emotionen haben wir, und wie entwickeln sie sich? Mark Solms, ein prominenter Neuropsychologe, wurde von Jaak Panksepps Arbeit in der affektiven Neurowissenschaft beeinflusst, insbesondere von Panksepps Identifikation der sieben grundlegenden emotionalen Systeme. Solms hat eine Reihenfolge vorgeschlagen, die die Entwicklungsabfolge dieser Systeme bei Säugetieren widerspiegelt. Diese Emotionen verweisen auf wichtige Kernressourcen für uns Menschen – ein Begriff, der von Laurence Heller eingeführt wurde.

Die sieben emotionalen Systeme und ihre Kernressourcen

  1. Angst
    Dieses System ist von den frühesten Lebensphasen an für das Überleben unerlässlich und löst die Suche nach unseren Bindungsfiguren aus. Bindung und das Gefühl, im Leben willkommen zu sein, ist eine zentrale Kernressource.
  2. Wut
    Verbunden mit Frustration und Ärger, tritt dieses System auf, um den Organismus zu unterstützen, Bindungsfiguren zu einer emotional eingestimmten Reaktion zu bewegen. Das freie Äußern von Bedürfnissen und das Erhalten einer eingestimmten Reaktion ist eine weitere Kernressource.
  3. Panik/Trauer
    Dieses System ist mit Trennungsangst und sozialer Bindung verknüpft. Es verhindert, dass wir ohne sichere Bindung in Angst und Wut verharren. Diese Emotionen helfen uns, das Vertrauen in wichtige Andere aufrechtzuerhalten, eine weitere Kernressource für uns Menschen.
  4. Suchen
    Das Suchsystem treibt Neugier und Erkundung an und ist entscheidend für das Lernen und die Interaktion mit der Umwelt. Autonomie ist auch eine wesentliche Kernressource.
  5. Lust
    Sexualität und reproduktive Verhaltensweisen werden relevant, wenn der Organismus reift.
  6. Fürsorge
    Eltern- und Fürsorgeverhalten entstehen, was für das Überleben und Wohlbefinden der Nachkommen essenziell ist.
  7. Spiel
    Soziales Spielverhalten entwickelt sich und ist wichtig für das Erlernen sozialer Rollen und Fähigkeiten.

Eine von Laurence Heller vorgeschlagene fünfte Kernressource ist „Liebe und Sexualität“, die aus einer Kombination der Emotionen Lust, Fürsorge und Spiel hervorgeht.

Sichere Bindung als Basis für emotionale Entwicklung

Bindung ist sowohl der sichere Hafen als auch die sichere Basis, an der Kinder lernen, mit ihren Emotionen umzugehen. Der „Kreis der Sicherheit“, wie ihn Powell, Cooper, Hoffman & Marvin beschrieben haben, zeigt, wie Bindungsfiguren für ihre Kinder da sein müssen, damit diese sich gesund entwickeln können. Es geht darum, den Erkundungsdrang zu unterstützen, verfügbar zu sein, wenn das Kind es braucht, zu beschützen, zu trösten, sich am Kind zu freuen und ihm zu helfen, seine Gefühle zu ordnen. Dabei sollten die Bindungsfiguren, wenn möglich, den Bedürfnissen des Kindes folgen und, wenn nötig, die Führung übernehmen.

Fehleinstimmungen und Reparatur als Wachstumschance

Sichere Bindung bedeutet nicht, dass Bindungsfiguren immer verfügbar und eingestimmt sein müssen. Menschliche Kommunikation ist von Natur aus geprägt von Momenten der Fehlkommunikation und Asynchronität, die jedoch im Idealfall repariert werden. Ed Tronick, ein Pionier der Entwicklungspsychologie, zeigt, dass solche Fehleinstimmungen und ihre anschließende Reparatur die Resilienz fördern. Diese Momente bieten kontrollierbaren, moderaten Stress, durch den Kinder und auch Erwachsene wachsen können.

Herausforderungen in der heutigen Gesellschaft

In unserer modernen Gesellschaft ist es für Eltern oft schwierig, als sicherer Hafen und sichere Basis für ihre Kinder zu fungieren. Dr. Bruce Perry und Oprah Winfrey beschreiben dies in ihrem Buch Was ist dein Schmerz?:

Dr. Perry: In einem typischen Jäger-und-Sammler-Clan gab es für jedes Kind unter sechs Jahren vier reifere Individuen, die ihm als Vorbild dienten, es disziplinierten, förderten und unterwiesen. Das ist ein Verhältnis von vier zu eins – vier Erwachsene pro Kind. Heute halten wir eine Bezugsperson für vier Kinder (eins zu vier) bereits für hervorragend. Das ist nur ein Sechzehntel dessen, was unser soziales Gehirn benötigt – es herrscht Beziehungsarmut.

Oprah: Wenn ich das höre, könnte ich weinen – für all die Alleinerziehenden, die sich Tag für Tag aufopfern und nicht einmal Zeit haben, sich um sich selbst zu kümmern. Es hilft mir, meine Mutter anders zu sehen. Sie hat ihr Bestes gegeben und war oft zu müde, um mehr zu tun.

Die Folgen unsicherer Bindung

Wenn ein Kind mit zu wenig sicherer Bindung aufwächst, verläuft seine Entwicklung oft anders. Um emotional zu überleben, kann sich eine Strategie von chronischer Scham oder chronischem Stolz entwickeln. Indem das Kind sich entweder abwertet oder erhöht, kann es an der Illusion einer wohlwollenden und zuverlässigen Bindungsperson festhalten. Diese Muster von Scham oder Stolz werden oft unbewusst ins Erwachsenenalter getragen, wo sie zu anhaltenden Beziehungsproblemen und einem negativen Selbstbild führen können.

Bei unsicherer Bindung kann sich ein Kind gezwungen sehen:

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